Ökonomenpanel von ifo und FAZ

Brauchen wir staatliche Eingriffe in den Fleischmarkt?

Die Corona-Pandemie macht auf Missstände in der Fleischindustrie aufmerksam. In Politik und Gesellschaft wird intensiv über Tierwohl, Arbeitnehmerschutz und Klima- und Umweltauswirkungen der Fleischindustrie diskutiert. Staatliche Eingriffe werden je nach Standpunkt vehement gefordert oder kategorisch abgelehnt. Deshalb widmet sich das 30. Ökonomenpanel von ifo und FAZ der Fleischwirtschaft. An der Umfrage nahmen 123 Ökonom*innen teil. 

Ökonom*innen fordern staatliche Eingriffe in den Fleischmarkt

85% der teilnehmenden Ökonom*innen befürworten Regulierungen zum Tierwohl. Regulierungen zum Arbeitnehmerschutz (72%) und Regulierungen zum Klima- und Umweltschutz (52%) werden ebenfalls von der Mehrheit der Ökonom*innen gefordert. Gleichzeitig wird beim Arbeitnehmer-, Umwelt- und Klimaschutz auf Probleme verwiesen, die nicht rein branchenspezifisch seien. Einzelne Ökonom*innen befürworten zudem Regulierungen zum Gesundheits- und Konsumentenschutz im Fleischmarkt. Lediglich 6% der Ökonom*innen wollen keinen staatlichen Eingriff in den Fleischmarkt und begründen dies damit, dass kein Marktversagen erkennbar sei.

ifo Grafik Ökonomenpanel Wirtschaftspolitische Eingriffe des Staates in den Fleischmarkt

Ökonom*innen sprechen sich für verstärkte staatliche Kontrollen in der Fleischindustrie aus

Bei den arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen in der Fleischindustrie sehen Ökonom*innen bei den staatlichen Kontrollen den größten Handlungsbedarf (69%). Staatliche Kontrollen müssten verstärkt werden, um geltendes Recht besser durchzusetzen. Dahinter folgen Regulierung von Subunternehmen, höhere Mindeststandards bei der Unterbringung der Arbeitnehmer*innen, höhere Mindeststandards beim betrieblichen Arbeitsschutz und bessere medizinische Überwachung sowie Versorgung der Arbeitnehmer*innen: Dies fordern jeweils rund die Hälfte der Ökonom*innen. 30% der Ökonom*innen befürwortet die Pflicht einer digitalen Zeiterfassung. Lediglich ein Viertel sprechen sich für ein Verbot von Werkverträgen aus. Die Forderung nach einem höheren Mindestlohn in der Fleischindustrie wird von den Ökonom*innen eher nicht unterstützt (12%). Zusätzlich zu diesen Maßnahmen wird eine strengere Regulierung und verstärkte Haftung von Subunternehmern genannt. Es wird zudem darauf hingewiesen, dass eine Kombination der Maßnahmen erforderlich sei. Nur 3% der teilnehmenden Ökonom*innen wollen keine arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen in der Fleischindustrie.

ifo Grafik Ökonomenpanel Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen

Bei einer einheitlichen europäischen Regelung zu den Arbeitsbedingungen in der Fleischwirtschaft sind die Ökonom*innen gespalten. 38% der teilnehmenden Ökonom*innen lehnen eine einheitliche europäische Regelung ab und begründen dies mit den unterschiedlichen Produktionsvoraussetzungen und Präferenzen in den Nationalstaaten, einer Wettbewerbsverzerrung und der fehlenden Kompetenz auf europäischer Ebene. 36% der Ökonom*innen hingegen befürworten eine einheitliche europäische Regelung, da dies einen Unterbietungswettbewerb mit negativen Konsequenzen für Tierwohl, Arbeitnehmer und die Umwelt verhindern würde. Mit „Teils-teils“ antworten 19% und fordern Mindeststandards bei gleichzeitiger Beibehaltung gewisser Standortvorteile für Niedriglohnländer

ifo Grafik Ökonomenpanel Einheitliche Arbeitsbedingungen auf europäischer Ebene

Verbesserte Mindeststandards und schärfere Kontrollen für die Tierwohlförderung

Jeweils rund 80% der Ökonom*innen halten verbesserte Mindeststandards für die Tierhaltung und schärfere Kontrollen der bestehenden Mindeststandards sowie höhere Strafen bei Verstößen für sinnvoll, um das Tierwohl zu fördern. 42% befürworten eine Veröffentlichung grober Verstöße gegen die Tierwohlstandards durch einzelne Firmen („name & shame“). Jeweils 19% sprechen sich für eine Tierschutzabgabe aus, wie sie von der Borchert-Kommission gefordert wird: sowie für Aufklärungs- und Ausbildungskampagnen für Tierhalter . Für die Einführung eines freiwilligen staatlichen Tierwohl-Labels in der Nutztierhaltung sind nur 15% der Ökonom*innen. Zusätzliche Tierwohl-Förderprämien und das vieldiskutierte Preiswerbeverbot für Fleischprodukte fallen bei den teilnehmenden Ökonom*innen durch. Eine weitere Maßnahme zur Tierwohlförderung, die genannt wird, sind Höchstdistanzen zum Transport lebender Schlachttiere und dadurch eine Regionalisierung der Schlachtung. 4% der Ökonom*innen wollen keine Maßnahmen zur Tierwohlförderung.

ifo Grafik Ökonomenpanel Tierwohl

Ökonom*innen befürworten die Einbindung der Fleischwirtschaft in den europäischen CO2-Zertifikatehandel

Um Auswirkungen der Fleischwirtschaft auf die Umwelt und das Klima zu berücksichtigen, fordern 56% der Ökonom*innen die Einbindung in den europäischen CO2-Zertifikatehandel. Dahinter landen eine CO2-Steuer auf Fleischprodukte (50%) sowie Ge- und Verbote bei der Nutztierhaltung (42%) auf Platz zwei und drei der meistgeforderten Maßnahmen. Für eine Verbraucheraufklärung über den Zusammenhang zwischen Fleischkonsum und Klimawandel sprechen sich 32% der Ökonom*innen aus. Nur 4% der Ökonom*innen fordern Ge- und Verbote beim Fleischkonsum. 12% lehnen Maßnahmen zum Umwelt- und Klimaschutz ab.

ifo Grafik Ökonomenpanel Umwelt- und Klimaauswirkungen

Ökonom*innen sprechen sich mehrheitlich für Senkung der EU-Subventionen für die Fleischindustrie aus

59% der Ökonom*innen fordern, dass die gegenwärtigen Subventionen für die Fleischindustrie durch EU-Gelder gesenkt werden, da sie den Fleischpreis künstlich niedrig hielten und zu einer Marktverzerrung führen würden. Es wird darauf verwiesen, dass die Subventionen im Agrarsektor generell zu hoch seien. 9% der Ökonom*innen wollen keine Reformierung der EU-Subventionen für die Fleischindustrie: Auch um im Krisenfall nicht auf Importe angewiesen zu sein. Nur 1% fordert eine Erhöhung der Subventionen.

ifo Grafik Ökonomenpanel EU-Subventionen für die Fleischwirtschaft

20% der Ökonom*innen sprechen sich für eine Erhöhung der Subventionen für die Bio-Fleischwirtschaft aus, um zusätzliche Kosten für strengere Regulierungen zu kompensieren und den Umbau zu einer tier- und umweltfreundlicheren Landwirtschaft zu unterstützen. Ein Viertel will eine Senkung der Subventionen, weil es generell keinen Grund für Subventionen in der Fleischwirtschaft gäbe und Subventionen prinzipiell zu einer Marktverzerrung führten. 16% wollen keine Reform der gegenwärtigen Subventionen für die Bio-Fleischwirtschaft. Fast 40% der Ökonom*innen antworten mit „Weiß nicht“, was ein Indiz für Unsicherheit bei der richtigen Subventionspolitik sein könnte.

ifo Grafik Ökonomenpanel Subventionen für die Bio-Fleischwirtschaft

Publikation

Aufsatz in Zeitschrift
Michael Ahlheim, Klaus Gründler, Lukas Kähn, Martin Mosler, Niklas Potrafke, Fabian Ruthardt
ifo Institut, München, 2020
ifo Schnelldienst, 2020, 73, Nr. 08, 60-63
Kontakt
Prof. Dr. Niklas Potrafke

Prof. Dr. Niklas Potrafke

Leiter des ifo Zentrums für öffentliche Finanzen und politische Ökonomie
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Fax
+49(0)89/907795-1319
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